Geschützt: Verjungfern

Gestrandet, fragt die Meerjungfrau 'nen Typen namens Neptun: Kommt die Erde aus dem Meer, oder das Meer aus der Erde? Neptun hat keine Ahnung, verspricht sich zu kümmern solange sie träume.

Das Wasser also ist warm, an jenem heißen Wochenende des 10. und 11. Juni, den ersten heißen Tagen eines langen heißen Sommers. Ja, Defa, wir träumen weiter und vergessen nicht. Und so ist da diese Bucht, schilfbestanden, Busch vor Baum, Baum vor Busch, vom Land nicht sichtbar. Wir müssen schwimmen.

Wir machen das so: Die Meerjungfrau schwimmt vor, strandet am Strand, der Sand ist warm, entlässt Nachmittagssonne. Die Meerjungfrau, nackt und Braungrün wie die Welt, fiebert strahlendurchdrungen trockenen Todes wie feuchten Lebens entgegen. Die Augen hält sie geschlossen.

Auftritt Neptun. Er taucht auf, unhörbar für die anderen, sie aber spürt das Vakuum seines Schattens vor der Sonne, eine rettende Kühle. Ein Vakuum, das jäh Hitze zieht. Tropfen. Auf die Knie, auf die Schenkel, ein leichtes Beben. Auf den Bauch, den Bauchnabel. Beben. Tropfen auf den Hügel, in den Spalt. Beben. Der Spalt öffnet sich, unmerklich, verlangend. Ein Spalt, tief in ihr.

Der Schatten wandert. Kühle Haut, die Wärme saugt. Vorahnung des Strahls, des Schmerzes, des Stoßes, aus den Tiefen der Erde, des Meeres.

Glut fährt in sie.
Sie nimmt die Glut auf,
verwandelt in einen stoßenden Strahl,
groß hart kraftvoll, erdbebengleich,
stampfende Höllenmaschine, jungfrauenzärtlich,
vom Grunde der Welt.

So steigt das Beben vom Spalt durch den Köper in die Höh’,
bis es explodiert im Kopf und überall.
Lava.
Sie ergießt sich ins Meer, das Meer, das kein Feuer löscht, sich selbst in Brand steckt, ewig unter der Kruste Vulkane brütet.

Dann liegen sie im Sand, Hand in Hand.
Und wissen, das hier, das sind wir.

Entjungfert, flüstert Neptun seiner Meerjungfrau was ins Ohr. Sie hört’s schon kaum, ist weggedöst: Die Erde kommt aus dem Spalt, so wie das Meer. Sie weiß es längst und träumt davon.